Restaurierungsbericht Inc. 564

 

Verfasser: Jean-Louis Alexandre (Einbandrestaurator, La Chassagne), unter Mitarbeit von Philippe Hoch (Bibliothèque municipale de Metz))

Restaurierungsbericht des Sammelbandes Inc. 564 der Bibliothèque municipale de Metz

Bei dem Buch, das in den Sammlungen der Zimelienabteilung der Bibliothèque municipale de Metz die Signatur Inc. 564 trägt, handelt es sich um einen Miszellanband, der um 1530 zusammengestellt wurde. Er enthält elf auf Französisch und Lateinisch verfasste und zwischen 1500 und 1530 erschienene Inkunabeln und Postinkunabeln. Der Band ist vor allem deshalb für die Restaurierung ausgewählt worden, weil er eine Ausgabe von Dionysius Cato, Disticha moralia pro pueris, Paris : Guy Marchant ( ?), etwa 1500, in 4°, enthält.

Beschreibung des Einbands vor der Restaurierung

Der Einband dieses Miszellanbandes wurde ohne jeden Zweifel kurz nach 1530 in Metz hergestellt, wo er auch am Ende des 19. Jahrhunderts repariert wurde. Die Verluste an beiden Häubchen wurden durch Stücke aus Schafleder ergänzt. Das zur Reparatur des oberen Häubchens angebrachte Stück ist noch immer sichtbar

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während von dem unten angebrachten Stück nur noch Spuren übriggeblieben sind:

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In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass während der 1890er Jahre zahlreiche Inkunabeln aus der Metzer Sammlung ähnlich behandelt wurden.

Die beiden Deckel bestehen aus Buchenholz (200 x 140 mm). Die Verbindung der Bünde mit den Deckeln ist deutlich sichtbar, ebenso wie eine Deckelkante an Kopf-, Fuß- und Vorderschnitt. Die Einbanddecke besteht aus Kalbleder; die Einschläge sind geschärft; die Ecken sind beschnitten und durch einen Einschlag geschützt; der geleimte Rücken und der Einband sind mit Hilfe eines Heftzwirns festgezogen worden. Die Einbanddecke ist ebenfalls ausgebessert worden. Die Deckel sind mit Rollenstempeln und Fileten verziert:

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Man kann noch darauf hinweisen, dass der Band ursprünglich Schließen besaß, die am Vorderdeckel befestigt waren. Schließenband und Haken sind verlorengegangen; von der Schließenhafte haben sich am Rückendeckel noch Spuren erhalten.

Die vorderen und hinteren Vorsatzblätter sind aus Papier. Ihr Wasserzeichen (Briquet 08288/08293) deutet auf eine gemeinsame Herkunft hin. Allerdings erlaubt der Erhaltungszustand der Vorsatzblätter keine Antwort auf die Frage, ob die Lagenzusammensetzung der vorderen und hinteren Vorsatzblätter ursprünglich identisch war. Vom vorderen Vorsatz sind noch Reste des fliegenden Blattes erhalten; bei dem hinteren Vorsatz handelt es sich um einen Quaternio, dessen drittes Blatt herausgerissen worden ist. Die Vorsatzblätter sind mit Hilfe eine Bleimine liniiert worden, während die Lagen selbst mit einem Pergamentfalz zusammengenäht sind.

Die Heftung ist auf vier doppelte Bünde en septain, die mit den Deckeln verbunden sind. Der Rücken, der leicht abgepresst ist, weist keinerlei Grundierung auf. Was die Kapitale anbelangt, kann man folgende Hypothese wagen: Aufgrund des Erhaltungszustandes, des Entstehungsdatums und des (wahrscheinlichen) Entstehungsortes des Einbandes kann man davon ausgehen, dass die Kapitale aus einem weiß gegerbten Bund bestanden, der durch die beiden Deckel hindurch- und wieder zurückgeführt und auf diese Weise mit ihnen verbunden war; darüber hinaus waren sie durch Fadenstickerei mit dem Rücken verbunden.

Etat de conservation du volume

Halten wir zunächst fest, dass zwei Teile aus dem ursprünglichen Buchblock herausgerissen worden sind: ein Teil am Anfang des Bandes und ein Teil zwischen den Stücken, die heute die Nummern 10 und 11 tragen.

Hinsichtlich des Einbandes stellt man fest, dass die Deckel in gutem Zustand sind. Dieselbe Bemerkung gilt für die Einbanddecke. Der Rücken ist sowohl oben wie unten lose und unvollständig. Am oberen Ende des Rückens sind am Falz Einschnitte vorgenommen worden, um die im 19. Jahrhundert erfolgte Reparatur zu ermöglichen. Was die Heftung angeht, so sind Bünde und Fäden in gutem Zustand, aber der Rücken ist deformiert. Von den Kapitalen sind nur noch Spuren übrig (Reste der Verbindungen mit den Deckeln und der Fadenstickerei im Rücken). Die Drucke auf den Deckeln sind leicht abgerieben.

Restaurierungsbericht

Der Band wurde zunächst völlig von Staub befreit und die Einbanddecke leicht gereinigt. Im Anschluss daran wurde die unsachgemäße Restaurierung des 19. Jahrhunderts entfernt, die sowohl wegen der verwendeten Technik als auch wegen des verwendeten Leders nicht beibehalten werden konnte. Die Stärke der beiden fehlenden Lagen ist durch einen Blindblock ersetzt worden. Die vorderen Vorsatzblätter sind dergestalt restauriert worden, dass sie mit dem Falz ein genähtes Bifolium bilden. Die Kapitale sind originalgetreu wiederhergestellt worden, wobei die Überreste der ursprünglichen Kapitale der Dokumentationsmappe hinzugefügt worden sind. Schließlich war es nötig, einen neuen Rücken zu gestalten, wobei die noch vorhandenen Reste als Intarsienteilchen verwendet wurden, um dem fortschreitenden Prozess der Deformierung Einhalt zu gebieten.

Dokumentationsmappe

Dem restaurierten Band sind in der Dokumentationsmappe die folgenden Teile beigegeben worden: dem Band entnommener Staub; Reparaturen aus Schafleder, die im 19. Jahrhundert in Metz an Buchkopf und -rücken vorgenommen wurden; Verbindungsfäden der Kapitale. Dem Ganzen sind außerdem zwei Skizzen hinzugefügt: eine Abbildung des Wasserzeichens des hinteren Vorsatzblattes und eine Abreibung des Blinddrucks.

Verwendete Produkte

Die verwendeten Produkte und Materialien entsprechen den heute allgemein üblichen Ansprüchen an Konservierung: Reversibilität; Säurefreiheit (Wasserstoffexponent [pH] = 7); vegetabile Gerbung des Leders; im allgemeinen höchste Qualität aller verwendeten Materialien.

Kleister, Weißleim ST und Klucel G: Stouls (Verrière-le-Buisson). Leder: Ets Jullien (Paris). Japanpapier: Stouls. Hadernpapier 100g/m2 : Moulin de Fleurac. Neutraler Karton: Hermet. Beständiges Presspapier: Atlantis. Fäden und septains: Ets Godet (Paris).

 

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