Restaurierungswerkstatt der FH Köln
Make-Up für Goethes Farbentafel
Die Patina fehlt. Die erneuerten Teile des Einbands heben sich deutlich vom Rest ab, der im Lauf der Jahrhunderte fleckig und speckig geworden ist. Wir hatten aber Glück, dass wir überhaupt ein Leder gefunden haben, das farblich einigermaßen zum Originaleinband der Inkunabel passt", erklärt die Kölner Studentin Kathrin Guthmann, die das über 500 Jahre alte Buch aus der Trierer Stadtbibliothek sorgfältig restauriert hat.
Die angehenden Restauratorinnen Yvonne Stoldt, Kathrin Guthmann und Ingrid Müller (v. l.) mit ihren" Trierer Inkunabeln. |
45 vom Verfall bedrohte Enzyklopädien aus den Beständen der Bibliotheken von Trier, Luxemburg und Metz werden derzeit im Rahmen des von der EU geförderten Projekts Libri Europae" in verschiedenen Restaurierungs-Werkstätten wiederhergestellt. Sie stammen überwiegend aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, also der frühesten Zeit des Buchdrucks. In den Büchern spiegelt sich der naturwissenschaftliche, theologische und historische Erkenntnisstand der damaligen Zeit. Häufig sind sie mit farbigen Initialen verziert, manche enthalten handschriftliche Notizen und Marginalien früherer Leser und Studenten.
Holzwurmbefall
Zwar hat die Stadtbibliothek mit Johannes Mayer ihren eigenen Restaurator, dessen Werkstatt in der Tuchfabrik untergebracht ist. Doch da das Projekt auf ein Jahr befristet ist, wären Mayer und seine Mitarbeiterin Maren Negendank schnell an die Grenzen ihrer Kapazitäten gestoßen. Elf der aus Trier stammenden Bücher werden im Institut für Restaurierung und Konservierung von Kunst- und Kulturgut an der Fachhochschule Köln bearbeitet. Kathrin Guthmann absolviert dort zur Zeit ihr Grundstudium. Der geflickte Ledereinband für die Enzyklopädie De proprietatibus rerum" von Bartholomäus Anglicus ist Teil ihrer praktischen Semesterarbeit.
Yvonne Stoldt hatte eine buchstäblich schwerere Aufgabe zu bewältigen: Ihre Trierer Inkunabel wiegt circa sechs Kilo. Der Einband ist durch Holzwurmbefall mit unzähligen winzigen Löchern übersät. Das Hauptproblem war jedoch der schwer beschädigte Falz. Zur Stabilisierung wurde neues Leder eingearbeitet, das anschließend wieder mit dem alten Einband überzogen wurde.
Geradezu zierlich wirkt im Vergleich das Objekt von Ingrid Müller. Die Schwierigkeit bestand darin, dass ein beträchtlicher Teil der Seiten irgendwann im Lauf der Jahrhunderte entfernt worden ist", berichtet sie. Um die dadurch bedrohte Stabilität des Einbandes wiederherzustellen, heftete die Studentin im hinteren Teil des Buchblocks neue unbeschriebene Seiten ein.
Japanpapier und Zellstoff
Neben der Restaurierung der Einbände werden auch Schäden auf einzelnen Seiten ausgebessert. Dazu gibt es zwei Techniken: Kleinere Risse werden mit langfasrigem und besonders rissfestem Japanpapier hinterklebt. Für größere Löcher wird Zellstoff in einer großen Menge Wasser aufgelöst. Das beschädigte Blatt wird auf ein Sieb gelegt und mit dem angereicherten Wasser überspült, wobei sich der Zellstoff durch den Sog an die Löcher anfasert" und sie schließt.
Die Fachrichtung Schriftgut/Grafik/ Buchmalerei wird von Professor Robert Fuchs betreut. Das Studium dauert acht Semester und wird mit dem Titel Diplom-Restaurator abgeschlossen. Wegen der starken Praxisorientierung, die den begrenzten Platz im Institut stark in Anspruch nimmt und eine intensive Betreuung der Studenten erfordert, stehen pro Jahr nur sechs bis acht Studienplätze zur Verfügung", erklärt Werkstattleiterin Eva-Katharina Nebel. Die Bewerber, überwiegend Frauen, müssen eine zweijährige Praxiserfahrung als Buchbinder oder in einer Restaurierungswerkstatt vorweisen und vor Studienbeginn eine Feststellungsprüfung ablegen.
Besucher, die sich zunächst wundern, dass Nebel gleich nach der Begrüßung die Tür zum Institut wieder zuschließt, verstehen bald den Grund für diese Sicherheitsmaßnahme. Hinter unscheinbaren Stoffbahnen verbergen sich allerlei Raritäten und Kostbarkeiten – vom japanischen Paravent über barocke Fächer bis zu einer bunten Tafel, die Goethe einst zur Vermittlung seiner Farbenlehre benutzt hat. Seine wahren Schätze bewahrt Professor Fuchs jedoch im Tresor auf – zum Beispiel ein franko-sächsisches Evangeliar aus dem 9. Jahrhundert, dessen mit vergoldeten Buchmalereien verzierten Seiten ein normalsterblicher Kunsthistoriker niemals in die Hand bekommt.
Infrarot und Röntgen
Bei der Bearbeitung dieser Objekte orientieren sich Fuchs und sein Team an dem Grundsatz Restaurieren heißt verstehen". Bevor man beginnt, ein Objekt zu restaurieren, muss man möglichst genau feststellen, welche Art von Schäden vorliegt und was diese Schäden verursacht hat." Nur dann könne möglichst zerstörungsfrei" restauriert werden. Der Lehrstuhl des gelernten Chemikers verfügt daher nicht nur über Seminarräume und Werkstätten, sondern auch über ein Labor. Dort wird den Antiquitäten mit Infrarotlampen und Röntgenstrahlen zu Leibe gerückt. Was für das bloße Auge nicht (mehr) zu erkennen ist, wird am Computer sichtbar gemacht. Auch eher zufällige Forschungserträge sind dabei nicht ausgeschlossen: Bei der Analyse einer mittelalterlichen Buchmalereifarbe stellten die Restauratoren eine bisher unbekannte chemische Verbindung fest, die sich beim Nachmischen als sehr gut haltbares Purpur erwies. Fuchs: Diese Farbe könnte für Make-up-Produzenten interessant sein." Ralph Kiessling