Autor : Dr. Heinz Meyer, Universität Münster (Westfalen) |
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Bartholomaeus Anglicus, De proprietatibus rerum Zu den 'Bestsellern' unter den Büchern des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit zählt die Enzyklopädie mit dem Titel 'De proprietatibus rerum' ('Über die Eigenschaften der Dinge') des englischen Franziskaners Bartholomäus aus der Zeit um 1240. Dieser Bartholomäus Anglicus, der nach Auskunft der Ordenschroniken an den Studienanstalten der Franziskaner in Paris und dann ab 1232 in Magdeburg Bibelexegese gelehrt hat, informiert selbst im Prolog über Inhalt und Aufbau seines Werkes mit einem Gliederungsentwurf, welcher der mittelalterlichen Ordo-Vorstellung folgt: Die Enzyklopädie beginnt mit drei Büchern über Gott, die Engel und das geistig-psychische Leben des Menschen. Nach dieser Darstellung der unkörperlichen Welt behandeln die Bücher 4-7 die naturhaft körperliche Dimension des Menschen (4: qualitates corporis, humores/Temperamente; 5: Körperteile; 6: Lebensalter, Geschlecht und Stand, Nahrung, Arbeit etc.; 7: Medizinisches). Nachdem das achte Buch einen Neuansatz beim Makrokosmos sucht und die Himmelskörper behandelt und das neunte die vom Lauf der Gestirne abhängige Zeit darstellt, orientiert sich die Gliederung vom zehnten bis zum 18. Buch an den Elementen, und zwar behandelt das zehnte Buch die Elemente allgemein sowie das Feuer, das elfte beschreibt die Phänomene der Luft und das Wetter, das zwölfte die der Luft zugeordneten Vögel, das 13. das Wasser und die Gewässer mit den Fischen. Die Bücher 14-18 beschreiben dann die Erde mit ihren Erscheinungsformen und Lebewesen (14: Landschaften; 15: Länder und Provinzen; 16: Mineralien, Metalle, Edelsteine; 17: Pflanzen; 18: Landtiere). Das 19. Buch, das deutlich als Appendix erkennbar ist, gilt den Akzidenzien, zunächst im Ausgang von Farbe, Geruch und Geschmack, dann von den Gegenständen des Quadriviums. Der 'Liber de proprietatibus rerum' ist geradezu der Musterfall einer Naturenzyklopädie, die alle Bereiche der Schöpfung umfasst und den Schöpfer, mit dem sie beginnt, einschließt. Die Bereiche des Gesellschaftlichen, des Historischen und Heilsgeschichtlichen, der Künste und Wissenschaften werden von der Gliederungssystematik nicht erfasst, kommen jedoch in einigen Büchern zur Sprache, so der soziale Bereich im 6. Buch bei der Behandlung der Stände und Lebensformen, die heilsgeschichtliche Perspektive bei den Erläuterungen zum Kirchenjahr am Ende des 9. Buches. Historische Dimensionen hat auch die Beschreibung der Länder und Provinzen im 15. Buch; die Künste schließlich sind im Schlussteil des 19. Buches im Ausgang von den Zahlen angesprochen. In allen Büchern, die mehr eine Bestandsaufnahme von Realien als eine Darstellung von Prinzipien und Strukturen intendieren, folgt die Binnengliederung dem Alphabet (so in den Büchern 12, 15, 16, 17, 18) und präsentiert die Enzyklopädie dem Benutzer damit als Nachschlagewerk. Bei der Gliederung des ganzen Werkes und seiner Teile
verbindet sich so ein von der mittelalterlichen Ordo-Vorstellung
beeinflusstes Grundkonzept mit praktischen Aspekten der
Benutzerfreundlichkeit. 2. Während die Träger der Überlieferung für die erste Phase vorwiegend bei den Geistlichen, den Klöstern und den kirchlichen Studieneinrichtungen zu suchen sind, stellt ein adliges Laienpublikum die Auftraggeber und Benutzer der volkssprachigen Fassungen des Gesamtwerks. Die Entstehungszeit dieser Übersetzungen erstreckt sich zwar insgesamt vom Anfang des 14. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, hat aber ihren Höhepunkt ganz eindeutig im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts, in dem die französische, provenzalische und englische Übersetzung sowie wahrscheinlich die ältere von zwei spanischen Versionen entstehen. Außerhalb dieses Zentrums stehen unter den Gesamtübersetzungen die italienische (kurz nach 1300), die niederländische von 1485 und die spanische durch Vicente de Burgos, die ebenfalls aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammt. Für den deutschen Sprachraum, in dem der 'Liber de natura rerum' des Thomas von Cantimpré mit seinen lateinischen und deutschen Versionen stärker verbreitet war, gibt es nur Übersetzungen von Werkteilen. 3. Eine dritte Phase der Verbreitung des Werkes bringt
der Buchdruck mit über 50 Ausgaben von 1470 bis 1609: Darunter befinden
sich 25 Inkunabeln (zwölf der lateinischen, neun der französischen, zwei
der spanischen, eine der englischen, eine der niederländischen Fassung);
im 16. Jahrhundert wird neben Ausgaben des lateinischen, englischen,
italienischen und spanischen Textes vor allem die französische Übersetzung
immer wieder gedruckt. Die Überlieferungsgeschichte endet schließlich am
Beginn des 17. Jahrhunderts mit einer Ausgabe der lateinischen Fassung,
die wir im Nachdruck (Frankfurt a.M. 1964) heute noch benutzen. |
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