Autor: Luc Deitz |
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Die "Libri naturalis historiae" von Gaius Plinius Secundus d. Älteren (23/4 - 24. August 79 n. Chr. [Vesuvausbruch]) sind das umfangreichste erhaltene Prosawerk der lateinischen Antike. In 37 Büchern breitet der Verfasser eine "Naturgeschichte" aus, die sich nach dem Indexbuch 1 (Inhaltsangaben, Vorbilder und Quellen, Materialstatistik) in zwei Teile zu je 18 Büchern auffächert. Der erste Teil enthält: ein Buch Kosmologie und Astronomie, vier Bücher Geographie, ein Buch Anthropologie, vier Bücher Zoologie und acht Bücher Botanik (B. 13, 68-88 die berühmten Kapitel über die Herstellung von Papyrus). Im zweiten Teil findet man: acht Bücher über Heilmittel aus Pflanzen, ein Buch über Heilmittel aus menschlichen und vier über solche aus tierischen Stoffen, und fünf Bücher über Metallurgie und Mineralogie (B. 35, 15-28: Geschichte der Malerei). Sah Theodor Mommsen 1887 in Plinius noch einen "liederlichen Compilator", so hat die Forschung der letzten 40 Jahre deutlich gemacht, dass Plinius durchaus kein geistloser Abschreiber war, sondern dass es ihm nach einem Jahrhundert römischen Weltfriedens darum ging, ein Bildungswissen zu vermitteln, dessen Kanon als abgeschlossen galt. Dabei treten persönliche, historisch genau einzuordnende Erfahrungen (etwa die Beschreibung einer Sonnenfinsternis) neben die Erwähnung zeitloser Phänomene, lebendige Anschauung neben dunkle Gerüchte. Nach dem Willen ihres Autors soll die Naturalis historia "alles berühren, was die Griechen Enzyklopädie nennen", also die allgemeinen Zusammenhänge skizzieren, die jeder Gebildete kennen musste. Dabei räumte Plinius ein, "dass sein Stoff trocken sei, unliterarisch, wenngleich nicht ohne Stil. Für lebenswichtig hielt er ihn: Rerum natura, hoc est vita, narratur. Nicht die Natur sprach sich aus und erzählte eine oder gar ihre Geschichte; der Autor brachte sie zur Sprache, so weit er konnte, in engen Grenzen schöpferisch wie sie" (A. Borst). Leitmotivisch zieht sich der Grundgegensatz zwischen der langlebigen Natur und dem kurzatmigen Menschen durch das kontrastreiche Gefüge der Naturalis historia; aus der begrenzten Lebensdauer und Lernfähigkeit des Menschen leitet Plinius die eindringlich ausgesprochene Mahnung ab, einen vernünftigen und umsichtigen Umgang mit dem kostbarsten Geschenk der Natur, nämlich der Zeit, zu pflegen.
Obwohl der erste Inkunabeldruck von Plinius bereits 1470 in Rom erschien, kennt H. Schedel ihn noch nicht als Verfasser der Naturgeschichte (Liber chronicarum, Bl. 111r). Als Curiosum sei erwähnt, dass der furiose Jesuit Jean Hardouin (1646-1729), der die gesamte antike Literatur als spätmittelalterliche Fälschung ansah, von diesem Verdikt nur die Episteln von Horaz und die Historia von Plinius ausnahm (die er 1685 in vier Foliobänden herausgab). Flaubert inspirierte sich bei Plinius für seine Beschreibung von Hamilkars Karfunkelsteinen in Salammbô, während J.L. Borges dem VIII. Buch der Naturalis historia einige Wesen entnahm, die in seinem Libro de los seres imaginarios auftauchen (Phönix, Basilisk, Catoblepas, Salamander, Einhorn u.a.).
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